Urheberrechtlicher Schutz eines Tweets

André Stämmler

Nach Auffassung des Landgerichts Bielefeld sind Tweets jedenfalls dann nicht urheberrechtlich geschützt, wenn diese nur aus „gewöhnlicher Alltagssprache“ bestehen.

 In dem Verfahren ging es um den Spruch:

„Wann genau ist aus „Sex, Drugs & Rock n Roll” eigentlich „Laktoseintoleranz, Veganismus & Helene Fischer” geworden?”

Für Tweets – als kurze Textnachrichten – ist der Schutz als sogenanntes Sprachwerk denkbar. Erforderlich hierfür ist aber das Erreichen der sogenannten Schöpfungshöhe. Die Schöpfungshöhe ist das Mindestmaß an individueller geistiger und kreativer Leistung. Nach Auffassung des Landgerichts erreicht der Wind nicht die erforderliche Schöpfungshöhe, um urheberrechtlichen Schutz zu genießen. Das gilt jedenfalls, wenn nur Alltagssprache verwandt wird.

Das LG Bielefeld führt dazu aus: 

Sprachwerke sind alle persönlichen geistigen Schöpfungen, deren Inhart durch eine Sprache als Ausdrucksmittel geäußert wird (Bullinger in: Wandtke/Bullinger, UrhG § 2 Rn. 45, beck-online). Damit das Schriftwerk urheberrechtlichen Schutz genießt, bedarf es grundsätzlich einer gewissen Schöpfungshöhe, die bei unterschiedlichen Werkarten unterschiedlich hoch angesetzt wird (Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckei, Urheberrecht, 3. Aufl. 2013, § 2 Geschützte Werke, Rn. 59).

Nach dem Dafürhalten der Kammer erreicht der streitgegenständliche Kurztext insoweit nicht die notwendige Schöpfungshöhe, um dem Urheberrecht zu unterfallen. 

Zwar setzt ein urheberrechtlich geschütztes Werk grundsätzlich keinen Mindestumfang voraus. Die Kürze einer Äußerung kann jedoch als Indiz gegen den Urheberrechtsschutz sprechen. Kurze Äußerungen bieten häufig nicht genug Gestaltungsspielraum, um die notwendige Schöpfungshöhe für den Urheberrechtsschutz zu erreichen (Bullinger in: Wandtke/Bullinger, a.a.O., UrhG § 2 Rn. 28, beck-online). 

So vergleicht der Antragsteller seine Leistung als Verfasser des streitgegenständlichen und von vergleichbaren prägnanten Tweets mit derjenigen eines Werbetexters. In der Regel genießen kurze Werbeslogans aber gerade keinen Urheberrechtsschutz (vgl. Dreyer in: Dreyer/Kofthoff/Meckel, a.a.O., § 2 Geschützte Werke, Rn. 206). Bei Werbetexten ist die sog. „kleine Münze” nämlich nicht geschützt, sondern es ist ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung erforderlich, damit eine persönliche geistige Schöpfung des Urhebers im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG angenommen werden kann. Je länger ein Text ist, desto größer sind die Gestaltungsmöglichkeiten, so dass umso eher eine hinreichende eigenschöpferische Prägung erkannt werden kann. Dagegen führt die Werbewirksamkeit und Schlagkraft einer Werbeaussage für sich genommen nicht zum Urheberrechtsschutz (Bullinger in: Wandtke/Bullinger, UrhG § 2 Rn. 53, beck-online).

Ähnlich wie bei Werbeaussagen sind bei der von dem Antragsteller gewählten Ausdrucksform als Tweet strenge Anforderungenan den urheberrechtlichen Schutz zu stellen. Der kurze Text, der aus einem einzelnen Satz besteht, bedient sich der Alltagssprache. Der notwendige Grad der Gestaltungshöhe wird durch die bloße Anordnung, Verknüpfung und Gegenüberstellung des allgemein bekannten und seit Jahrzehnten verwendeten Begriffs „Sex, Drugs an Rock n Roll” mit schlagwortartigen Begriffen aus dem alltäglichen und aktuellen Sprachgebrauch nicht erreicht. Der damit verbundene Sprachwitz genügt nicht, um die notwendige Gestaltungshöhe und einen Urheberrechtsschutz als Sprachwerk zu begründen. Vielmehr entspricht der „Tweet”, der in dem sozialen Medium Twitter abgesetzt worden ist, einem urheberrechtlich nicht schutzfähigen bloßen Slogan.

Fazit und Praxis

Ob die sogenannte Schöpfungshöhe erreicht ist, muss immer am Einzelfall beurteilt werden. Insofern kann auch das Urteil des Landgerichts Bielefeld nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Die Länge des Textes spielt in der Regel keine Rolle. Maßgeblich ist die Individualität hinter dem Tweet.

Für die Praxis bedeutet das, dass nach wie vor eine gewisse Unklarheit besteht, ob ein Tweet urheberrechtlich geschützt ist. Je allgemeiner der Tweet ist, desto eher wird er nicht dem Schutz des Urheberrechts unterfallen. Je kreativer der Tweet ist, desto eher wird man urheberrechtlichen Schutz annehmen müssen.

Entscheidung des Landgericht Bielefeld vom 03.01.2017 – Aktenzeichen: 4 O 144/16

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