OLG Hamm zur Anwendung der MFM-Tabelle (22 U 98/13) bei Bilderklau
André Stämmler
Wer bei ebay und Co. Etwas verkaufen möchte, macht sich nicht immer die Mühe für das Produkt ein eigenes Foto anzufertigen. Schneller und mit weniger Aufwand verbunden geht es, wenn man einfach das Produktbild eines anderen Anbieters für das eigene Angebot verwendet. Das man damit einen Verstoß gegen Urheberrecht begeht ist vielen nicht bewusst. Die bitterböse Überraschung kommt dann, wenn eine Abmahnung durch eine Kanzlei ins Haus flattert und dort zum Teil immense Schadensersatzsummen gefordert werden.
Beim überwiegenden Teil der Abmahnungen wird dabei als Bemessunsgrundlage für den Schadensersatz die sogenannte MFM-Tabelle der Mittelstandsgemeinschaft-Foto-Marketing angesetzt und führt zum Teil zu sehr schmerzhaften Schadensersatzforderungen. Das diese Tabelle nicht immer zur Anwendung kommen muss zeigt eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamm (22 U 98/13). Dieses erklärte zwar, dass die Tabelle einen geeigneten Ausgangspunkt bilden kann, in einem zweiten Schritt aber überprüft werden muss, ob die Tabelle tatsächlich Anwednung findet. Das Gericht machte dies von der Tatsache abhängig, ob die Fotos professionellen Anforderungen genügen und führte hierzu aus:
Wird – wie vorliegend – Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie verlangt, gilt die Lizenzgebühr als angemessen, die bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (BGHZ 44, 372, 380 f. – Messmer-Tee II; BGH, GRUR 1990, 1008, 1009 f. – Lizenzanalogie). Ob die vom Landgericht mit dem Sachverständigen herangezogenen MFM-Tabellen in Fallgestaltungen der gegenständlichen Art die insoweit angemessene und übliche Lizenzgebühr abbilden, unterliegt tatrichterlicher Beurteilung (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 06.10.2005, I ZR 266/02 – Pressefotos, juris, NJW 2006, 615 = ZUM 2006, 217).
Die MFM-Empfehlungen gehen auf Befragungen von Bildagenturen, Fotografen und Bildjournalisten zurück. Ziel der Erhebung ist es, eine marktgerechte Übersicht der Vergütungsverhältnisse von Bildnutzungsrechten wiederzugeben. Die MFM-Empfehlungen beruhen also auf den Erfahrungswerten professioneller Marktteilnehmer (vgl. insoweit auch LG Düsseldorf, Urt. v. 24.10.2012, 23 S 66/12, juris, Rn. 11, MMR 2013, 264 = ZUM-RD 2013, 204). Gemessen hieran regeln die MFM-Empfehlungen für die streitgegenständlichen Lichtbilder schon deshalb nicht den bestimmungsgemäß betroffenen Markt, weil kein Berufsfotograf als Rechteinhaber betroffen ist (so auch LG Köln, Hinweisbeschl. v. 16.12.2008, 16 S 9/08, juris, Rn. 5, GRUR-RR 2009, 215; vgl. auch AG Köln, Urt. v. 31.03.2010, 125 C 417/09, juris). Die von einem Berufsfotografen erstellten Lichtbilder sind regelmäßig professionell hergestellt worden und weisen eine hohe Qualität auf. Hinzu kommt, dass die angesetzten Honorare die Einnahmen für die gewerbliche Tätigkeit der Fotografen darstellen; von diesen Zahlungseingängen müssen sie also auch sämtliche ihrer Betriebsausgaben bestreiten. Bei privat erstellten Lichtbildern bestehen dagegen zahlreiche Unterschiede. Zum einen weisen solche Fotos selten die Qualität von Bildern eines professionellen Fotografen auf. Oft fehlen die Erfahrung und auch die technische Ausstattung, um eine vergleichbare Qualität zu erzielen; es liegt auf der Hand, dass die Ergebnisse einer einfachen Kompakt-Digitalkamera, die von einem Amateur bedient wird, zu denen einer von einem erfahrenen Fotografen verwendeten professionellen Kamera, die ein Vielfaches kostet, deutliche Unterschiede aufweisen. Auch der vom Fotografen betriebene Aufwand ist oftmals deutlich geringer (so zutreffend AG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2011, 57 C 1701/11, juris, Rn. 18).
Hieraus folgt, dass die jeweilige Honorarempfehlung der MFM im Rahmender Schätzung nach § 287 ZPO zwar als Ausgangspunkt verwendet werden kann. In einem zweiten Schritt ist jedoch eine Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob das konkrete Lichtbild insgesamt als professionelles Werk anzusehen ist und tatsächlich am Markt entsprechende Preise erzielen könnte, oder ob bei einfacheren Bildern ein prozentualer Abschlag vorzunehmen ist. Eine schematische Übernahme der MFM-Empfehlungen scheidet im Streitfall vor diesem Hintergrund schon deshalb aus, weil sich die streitgegenständlichen Lichtbilder – bei denen es sich um äußerst simple Produktfotografien ohne jedwede Schaffenshöhe handelt – nach den Feststellungen des Sachverständigen X lediglich als semiprofessionelle Arbeiten mit erheblichen Qualitätsmankos darstellen.
Das Gericht schloss sich damit einen Trend an, der zu einer eher zurückhaltenden Anwendung der MFM-Tabelle bei der Schätzung des Schadensersatzes für die unerlaubte Verwendung von Bildern geht. Ähnlich entschied bereits auch das OLG München im Dezember 20130 (Urteil des OLG München vom 09.12.13 – AZ. 6 U 1448/13)
Fazit – Urteil des OLG Hamm (22 U 98/13)
Die Tendenz hin zu einer eingeschränkten Anwendung der MFM-Tabelle ist grundsätzlich zu begrüßen. Gerade bei der privaten Nutzung von Fotos erscheint die Anwendung der MFM-Tabelle unangemessen, da die hier geltend gemachten Beträge oftmals sehr hoch sind und gerade private Nutzern eine unrealistische Höhe der Lizenzgebühr ansetzen, die vermutlich bei Kenntnis aller Umstände so nicht gezahlt worden wäre.
Urteil des OLG Hamm vom 13.02.2014 AZ: