Filesharing und sekundäre Darlegungslast – OLG Hamm 22 W 60/13
André Stämmler
Bei Filesharing Abmahnungen besteht – nach Auffassung der Rechtsprechung – eine Vermutung dahingehend, dass der Inhaber des Internetanschlusses auch gleichzeitig der Täter der Urheberrechtsverletzung ist. Ob man dieses Konstrukt als richtig oder falsch erachtet, kann grundsätzlich dahingestellt bleiben. Bis auf weiteres wird man jedenfalls damit leben müssen. Sofern sich nun der Anschlussinhaber den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung ausgesetzt sieht, kann sich dieser im Rahmen der so genannten sekundären Darlegungslast von dieser Vermutung lösen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Anschlussinhaber einen ernsthaft möglichen Alternativen Geschehensablauf dargelegt. Beweisen muss er dies nicht.
Die Entscheidung OLG Hamm 22 W 60/13
Wie konkret nun die Anforderung an die Darstellung sind, führte das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm 22 W 60/13) wiederholt in einer Entscheidung aus November 2013 aus. Dort heißt es:
Zwar ist das Landgericht zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass den Verfügungsbeklagten im Hinblick auf die glaubhaft gemachte Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Filmwerks von den ihm zuzuordnenden IP-Adressen eine sekundäre Darlegungslast trifft (BGHZ 185, 330). Eine Umkehr der Beweislast ist damit jedoch ebenso wenig verbunden wie eine Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Gegner alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Von dem Anschlussinhaber kann im Rahmen des Zumutbaren substantiiertes Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden, ihm obliegt aber nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss. Vielmehr genügt er seiner sekundären Darlegungslast, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass seine Hausgenossen selbstständig auf den Internetanschluss zugreifen können, weil sich daraus bereits die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als die seiner Alleintäterschaft ergibt (OLG Köln, NJW-RR 2012, 1327). Vorliegend hat der Verfügungsbeklagte durch sein als Anlage AG 1 zum Widerspruch vom 09.04.2013 angefügtes Schreiben vom 25.02.2013 an den Verfügungsklägervertreter und durch den Inhalt des Widerspruchs erklärt, dass er vermutet, dass seine minderjährigen Kinder als Verursacher der Rechtsverletzung in Betracht kommen könnten. Darin ist die Erklärung zu sehen, dass diese selbstständig und ohne permanente Aufsicht durch den Verfügungsbeklagten dessen Internetanschluss nutzen können. Dieser Vortrag ist ausreichend, um eine ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als die Alleintäterschaft des Verfügungsbeklagten darzulegen.
Die Entscheidung ist erfreulich und reiht sich in eine Rechtsprechung ein, die zunehmend auch die tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigt und nicht lediglich „abmahnfreundlich jede Klage durchwinkt“. Ähnliche Tendenzen sind bereits am OLG Köln (6 U 239/11) zu sehen.
Wage Behauptungen reichen aber nicht aus!
Unterschätzt werden sollten die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast aber nicht. So führte ebenfalls das OLG Köln in einer Entscheidung (OLG Köln – 6 U 10/13)vom 02.08.13 aus:
Der Anschlussinhaber muss seine Verantwortlichkeit deshalb im Rahmen des ihm Zumutbaren substantiiert bestreiten sowie Tatsachen darlegen und ggf. beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs – nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses – ergibt (vgl. BGH GRUR 2013, 511 Rn. 34 – Morpheus; Senat WRP 2012, 1007 Rn. 24; GRUR-RR 2012, 329 [330]). Hierfür sind konkrete Anhaltspunkte aufzuzeigen (vgl. BGH GRUR 2010, 633 Rn. 11 – Sommer unseres Lebens; Senat a.a.O.), die einen abweichenden Geschehensablauf in Form der Alleintäterschaft eines Dritten jedenfalls nicht gänzlich unwahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 21).
Das Landgericht hat mit zutreffender und überzeugender Begründung angenommen, dass der erstinstanzliche Vortrag des Beklagten diesen Anforderungen nicht genügt. Mit dem Einwand, seine Ehefrau habe zum Tatzeitpunkt selbstständig auf seinen Internetanschluss zugreifen können, hat der Beklagte nur vage die generelle Möglichkeit einer von dieser begangenen Rechtsverletzung angedeutet. Auch wenn den Anschlussinhaber in Bezug auf Ehepartner grundsätzlich keine Nachforschungspflicht trifft (vgl. OLG Hamm MMR 2012, 40; Senat GRUR-RR 2012, 329 [330]), so hat er im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast jedenfalls durch konkrete Schilderungen zum tatsächlichen Nutzungsverhalten des (angeblichen) Ehepartners im Hinblick auf den Internetanschluss aufzuzeigen, dass dieser ernsthaft als Alleintäter in Betracht kommt (vgl. Senat GRUR-RR 2012, 329 [330]; Beschluss vom 08.05. 2013 – 6 W 256/12 -). Daran hat der Beklagte es fehlen lassen.
Ein Tendenz-Wandel sollte damit zwar nicht verbunden sein. Jedoch zeigt diese Entscheidung, dass auch im Rahmen der sekundären Darlegungslast ein gewisses Mindestmaß erforderlich ist.
Insgesamt ist jedoch eine Tendenz erkennbar bei der die Gerichte heute zunehmend die tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigen und nicht lediglich die Klagen der Rechteinhaber „durch winken“.
Entscheidung des OLG Hamm vom 04.11,13 (OLG Hamm 22 W 60/13)